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Punkt 22:00 Uhr setzt sich der Fackelzug bei strömendem Regen in Bewegung. Zu den Klängen einer SA-Blaskapelle marschieren Studenten, Professoren und Verbände der SA und SS durchs Brandenburger Tor, eskortiert von berittener Polizei. Ihr Ziel: der Opernplatz (heute Bebelplatz), wo tagsüber ein Scheiterhaufen aufgeschichtet wurde. In wenigen Minuten werden die »zersetzenden« Bücher von Heinrich Heine, Erich Kästner, Karl Marx, Kurt Tucholsky und vielen anderen »dem Feuer übergeben«. Eine Streitschrift mit dem Titel »Kulturbolschewismus?« steht nicht auf der braunen Liste vom 10. Mai 1933 ...

Die beste Renner-Biografie schrieb der FontFont-Designer Chris Burke: »The Art of Typography« (1998)

Die leidenschaftliche Verteidigung der Moderne in Architektur und Bildender Kunst, verfasst von Paul Renner, erschien ein halbes Jahr zuvor bei Eugen Rentsch in Zürich. In seinem Heimatland fand der Autor schon 1932 keinen Verleger mehr. Beim Erscheinen hetzt der Völkische Beobachter erwartungsgemäß gegen den Künstler. Im April 1933 wird Renner inhaftiert und muss die Leitung der Meisterschule für Buchdrucker in München abgeben. Einen Monat später flieht er in die Schweiz.
Paul Renners Glück war, dass er 1927 die erfolgreiche Futura-Schriftfamilie auf den Markt brachte. Die Erlöse aus den Urheberrechten sicherten dem kalt gestellten Vordenker während der Nazizeit seine Existenz.

Reproduktion des Bauerschen Futura-Schriftmusters mit der Futura OpenType von Elsner + Flake

Futura, deren erste Entwürfe auf das Jahr 1924 datieren, war stark vom Bauhaus inspiriert. Renner betrachtete sie als die Überwindung der »Unvereinbarkeit von römischer Versalschrift und den lateinischen Kleinbuchstaben, die der handschriftlichen karolingischen Minuskel entstammen«. Seine Futura war der Prototyp einer geometrischen (konstruierten) serifenlosen Linear-Antiqua.
Zwar hielt Renner bei der Erstveröffentlichung an befremdlichen (antihandschriftlichen) Formen für a, g, n, m und r fest, doch ihren Siegeszug trat Futura ohne diese Figuren an. Im ersten Schriftmusterblatt der Bauerschen Gießerei von 1927 wurden sie als Spezialfiguren angepriesen, das zweite von 1928 zeigte sie gar nicht mehr.
Die jüngst erschienene OpenType-Version der Futura von Elsner + Flake enthält den original Rennerschen Zeichenvorrat.

Die Volkswagen-Headline-Schrift basiert auf einer Futura, die 1998 überzeugend von MetaDesign überarbeitete wurde